Bericht aus dem Grossen Rat vom 10. März 2021

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Bericht aus dem Grossen Rat vom 10. März 2021

Kantonsrat Mathias Dietz berichtet.

Auch an diesem Mittwochmorgen werden wir nach der Fraktionssitzung, die jeweils von 07:00 – 09:15 Uhr dauert, vor der Rüegerholzhalle von ca. 30 Demonstrantinnen und Demonstranten erwartet. Die Mitglieder der Vereinigung «Mündige Bürger Thurgau» fordern die Beendigung der Corona-Massnahmen, Verzicht auf Tests und freie Impfentscheidung.

Der Ratspräsident Norbert Senn (CVP) eröffnet die Sitzung pünktlich um 09:30 Uhr; es sind 125 Rats­mit­glie­der anwe­send.

Wie immer in letzter Zeit berichtet der Regierungsrat zu Beginn der Sitzung über die Covid-19-Situa­tion im Thur­gau:

RR Walter Schönholzer: Seit einem Jahr herrscht im RR und in der Verwaltung der Ausnahmezustand. Der Regierungsrat funktioniert sehr gut. RR Walter Schönholzer ist stolz auf die Regierung und die kant. Verwaltung. Die Arbeitslosigkeit im Thurgau ist mit rund 8000 Arbeitslosen sehr hoch. Mittlerweile sind 863 Gesuche für Härtefallgelder eingegangen. Erwartet wurden mehr Gesuche.  Davon haben 375 haben keine Dokumente eingereicht. 9% mussten bis jetzt abgelehnt werden.

RR Cornelia Komposch: Informiert über die Impfstrategie und über die Teststrategie im Kanton Graubünden. Zur Zeit läuft die Vernehmlassung zum Musterkonzept des Bundes (Bund soll die Kosten fürs Testen übernehmen etc.). Der Regierungsrat befürwortet dieses. Der logistische Aufwand für den Kanton ist noch nicht absehbar. Allgemein seien Lockerungsschritte anzustreben.

RR Urs Martin: Beim Impfen sind die Erwartungen gewaltig. Der Kanton hält sich strikte an die Priorisierung des Bundes. Der Impfstoff ist immer noch knapp. Fast die Hälfte der über 75j. sind geimpft. Zwei Impfstoffe sind zur Zeit zugelassen. Die Lieferung von «Moderna» stockt (könnte an Hausärzte geliefert werden). Es gibt keine Planungssicherheit. Das «Impfschiff» kann nur noch bis Anfangs Mai als mobiles Impfzentrum genutzt werden. Ein neues Impfzentrum soll in Weinfelden eingerichtet werden. Zw. 80 – 2000 Impfungen pro Tag sollten dort verimpft werden können.

Zu den ordentlichen Traktanden:

1. Ersatzwahl eines Mitglieds des Verwaltungsgerichts für den Rest der Amtsdauer (20/WA 22/115).

Frau Christa Locher (neu Mitglied der EVP) wird fast einstimmig als Mitglied des Verwaltungsgerichts gewählt. Sie hatte sich im Vorfeld auch bei der CVP/EVP-Fraktion vorgestellt und tritt nun die Nachfolge von Rita Wenger-Lehnherr an, die Ende Juli nach 32 Amtsjahren! zurück tritt.

2. Überprüfung der Justizorganisation (16/GE 27/459).

Die jeweils zweite Lesung zu den Gesetzesentwürfen fallen sehr kurz aus. Es gibt nur eine Wortmeldung zur Aufstockung von Richterstellen. Die Redaktionslesungen und die Schlussabstimmungen und der Verordnung erfolgen dann an der nächsten Ratssitzung.

3. Motion von Jacob Auer und Marina Bruggmann vom 9. September 2020 "Bekämpfung von Missbräuchen von Praktika" (20/MO 5/54) (Beantwortung, Diskussion, Beschlussfassung).

Mehr Diskussionsstoff gab es bei dieser Motion. Die Meinungen gingen sehr auseinander.

GR Hansjörg Haller (EVP) sprach im Namen der CVP/EVP-Fraktion und vertrat hier Katharina Bünter, die beruflich abwesend war. Auszüge aus ihrem/seinem Votum: „Die Richtlinien der Tripatiten Kommission zeigt auf, in welchem Bereich Praktikas gut sind:

  • Im IV-Bereich
  • im Bereich leistungsschwache Schüler
  • im Bereich Studium zur Erlangung von praktischen Fähigkeiten während des Studiums
  • in internationalen Konzernen
  • und
  • im Bereich Berufsfindung in Berufen, in denen Menschen zu führen sind (Sozialpädagogik, Kitas, etc.)

Die Rahmenbedingungen dieser Praktika (wie Länge etc.) sind seit November 2016 in den Richtlinien der grundsätzlich geklärt …

Werden die jungen Leute begleitet und sieht der Arbeitsort eine Ausbildung während des Praktikums vor, erachte ich dies als eine angebrachte Lösung. Auch der Lohn muss im Verhältnis zu den Lernenden stimmen. Ich betone noch einmal. Es ist ein no go, dass junge Menschen ein Praktikum absolvieren ohne Aussicht auf eine Lehrstelle. Spätestens nach ½ Jahr muss der Praktikumsperson entweder ein Lehrvertrag unterbreitet werden oder ihr in einem Gespräch ausführlich erklärt werden, weshalb sie keine Lehrstelle erhält. … Die Situation im Thurgau hat sich im Bezug auf Praktikas positiv entwickelt. Leider gibt es noch immer Institutionen, die sich nicht an die Vorgaben halten, dort ist das AWA in der Pflicht … Es wäre übrigens begrüssenswert, wenn das Praktikum mit einem Schultag pro Tag ergänzt werden könnte. Das wäre für die AbsolventInnen und die Kitas nur von Vorteil und wäre betriebswirtschaftlich verkraftbar … Weiter ist darauf hinzuweisen, dass es in den Kitas offene Stellen gibt. Es mangelt an ausgebildetem Personal. Der totale Wegfall von Praktikas würde diesen Umstand noch zusätzlich verschärfen. …. Ein Praktikum ist eine gute Sache, um sein theoretisches Wissen in der Praxis zu erproben und vertiefen, aber in den von der Tripartite Kommission festgelegten Rahmen.“

Der Regierungsrat beantragt, die Motion nicht erheblich zu erklären. Die Tripatite Kommission des Kantons habe mit ihren Richtlinien ein gutes Instrument zur Kontrolle und kann bei Missbräuchen einschreiten. Nach Diskussion im Rat wird die Motion mit 88:30 Stimmen nicht erheblich erklärt.

EVP: 4 Nein, 2 Enthaltungen.

4. Interpellation von Franz Eugster und Andreas Opprecht vom 12. August 2020 "Welche Auswirkungen bringt die Ausscheidung von Zuströmbereichen für Grundwasserfassungen?" (20/IN 6/43) (Beantwortung).

Die Interpellanten beantragen Diskussion, die mit grosser Mehrheit beschlossen wird. Alle sind sich einig, dass der Schutz des Trinkwassers eine grösste Priorität hat! Landwirte sind gefordert - aber auch Private, die mit der grossen Giftkanne anrühren. Schädliche Stoffe müssen grösstmöglichst und frühzeitig abgefangen werden, damit sie nicht ins Grundwasser gelangen!

5. Interpellation von Franz Eugster vom 17. Juni 2020 "Wer hat im Wald eigentlich das Sagen?" (20/IN 1/29) (Beantwortung).

Der Interpellant beantragt Diskussion, die mit grosser Mehrheit beschlossen wird.

Im Kanton Thurgau gibt es 9000 Waldeigentümer. Für diese gibt es viele Bestimmungen (z.B. Verbot, ohne Zustimmung des Försters einen Baum zu fällen). Das aktuelle Waldgesetz ist aus dem Jahr 1912 … Die wirtschaftlichen Erträge sind tief. Gerade noch im Brennholzbereich kann ein kleiner Ertrag generiert werden.

Der Wald wird für diverse Freizeitaktivitäten genutzt. Er ist Erholungsraum zum Nulltarif. Gerade in Stadtnähe ist er sehr wichtig und vielseitig genutzt. Da kommt es auch immer wieder zu Interessenkonflikte, die auch der Regierungsrat bestätigt. Der Gesetzgeber hat es unterlassen, Strafbestimmungen zu erlassen (ausser Verbot Paintball).

Aus der EVP hielt GR Elisabeth Rickenbach das Votum (Auszug):

«Es ist unbestritten, dass Interessenskonflikte im Wald vorhanden sind. Der Wald-Goodwill seitens Waldbesitzer und Forstdienst ist nur vorhanden, wenn der Waldbenutzer sich entsprechend verhält …Trotzdem will ich davor warnen, zuviel im Gesetz zu regeln, denn damit wird die Waldnutzung verunmöglicht … Zudem gilt es die Bevölkerung zur Bedeutung des Waldes bezüglich Biodiversität und gesundem Ökosystem wie Wasser und Luft zu sensibilisieren. Mehr Freizeit im Wald bedeutet auch schonender umzugehen und – ganz praktisch - Abfall nicht liegen lassen beim Waldbesuch. …  Gerade für Jugendverbände wie Cevi oder Pfadi ist der Wald resp. die Waldnutzung ein wichtiger Bestandteil. Seitens Cevi weiss ich als ehemalige Ausbildungsverantwortliche, dass die Schulung / Sensibilisierung der LeiterInnen hohe Priorität hat, was den Umgang mit der Nutzung im Wald und Schutz der Wildtiere angelangt, aber auch betreffend Ökologie …Eine Möglichkeit sehe ich, dass der Waldeigentümer möglichst von Abgaben befreit werden könnte (z.B. Steuerwert, etc.). Der Waldeigentümer sollte vermehrt für Waldleistungen an die Öffentlichkeit entschädigt werden. Dies im Sinne, dass der Gesellschaft ein intakter Wald etwas Wert sein muss. Der Waldbesitzer muss dies (finanziell) spüren. Zu guter Letzt: Leider wird der Rohstoff Holz zu wenig genutzt. Hier ist eine Sensibilisierung aller Beteiligten wie Architekten, Baufachpersonen vermehrt nötig. Holzverwendung muss sich für den Waldeigentümer und den Verbraucher auszahlen. Das erhöht, dass der gegenseitige ‘Woodwill’ wieder besser vorhanden ist.»

Gem. GR Zecchinel ist die Eigenverantwortung gewachsen und der Wald wird zum Glück viel weniger als Abfallmulde genutzt. Ranger machen Aufklärungen vor Ort. Auch der Staat fördert Wald/Holznutzung. Es gibt grosses Lob für die Förster. Gegenseitiger Respekt ist nötig!

RR Carmen Haag freut sich über Rückendeckung, falls es neue Gesetze braucht.